Für zahlreiche geflüchtete Menschen in Berlin hat das Landesamt für Einwanderung ein Beschäftigungsverbot verfügt und somit den Zugang zu Arbeit, einer (betrieblichen) Ausbildung und diversen Praktika versperrt.
Betroffen sind: Asylsuchende, die in eine Aufnahmeeinrichtung eingewiesen wurden;Asylsuchende und Geduldete aus einem sogenannten sicheren Herkunftsland; sowie Geduldete, denen vorgeworfen wird, nicht ausreichend an der Passbeschaffung mitzuwirken und so bewusst ihre eigene Abschiebung zu verhindern. Betroffen sind auch Geflüchtete, die bereits seit vielen Jahren geduldet in Berlin leben.
Wir sind der Ansicht, dass Arbeits- und Ausbildungsverbote als Sanktion ungeeignet sind, da sie soziale und ökonomische Teilhabe und Integration verhindern. Das Recht auf Arbeit und Bildung ist ein Menschen-recht, das nicht aus migrationspolitischen Erwägungen verwehrt werden darf.
Arbeits- und Ausbildungsverbote und die Duldung light nach § 60b AufenthG verschärfen zudem das Problem der Kettenduldung und der Langzeitgeduldeten. Sie erschweren bzw. verhindern die Legalisierung des Aufenthalts in Form eines humanitären Bleiberechts nach §§ 25a, 25b und 23a AufenthG.Dies liegt weder im individuellen noch im öffentlichen Interesse.
Deshalb fordern wir als AG Beschäftigungsverbote:
1. Arbeits- und Ausbildungsverbote sind durch die Anwendung vorhandener Ermessensspielräume weitmöglichst zu vermeiden.
2. Im Sinne einer Hinweis- und Beratungspflicht nach §§ 60b Abs. 3 S. 2 und § 82 Abs. 3 S.1 AufenthGhat die Aufforderung zur Mitwirkung in Form eines schriftlichen Bescheids unter Hinweis auf die Rechtsfolgen zu erfolgen.
3. Die im jeweiligen Einzelfall geforderten zumutbaren Mitwirkungshandlungen müssen konkret,realistisch und herkunftslandbezogen sein. Der Bescheid informiert auch darüber, wer die Kosten für die geforderten Mitwirkungshandlungen trägt. Der Bescheid ist mit einer Übersetzung in der jeweiligen Sprache der Betroffenen zu versehen und den Betroffenen mündlich zu erläutern. Dies gilt insbesondere bei nicht-alphabetisierten Personen.
4. Nach schriftlicher Aufforderung und vor dem Erlass eines Beschäftigungsverbots und einer Duldungnach § 60b AufenthG ist dem:der Betroffenen auch weiterhin regelmäßig eine Frist von mindestens 6 Monaten zur Mitwirkung zu gewähren.
5. Bei der Belehrung bezüglich der Mitwirkungspflichten zur Passbeschaffung trifft das Landesamt für Einwanderung mit den Antragstellenden eine verbindliche (Integrations-) Vereinbarung. Darin verpflichtet es sich, bei Erfüllung der geforderten Mitwirkungshandlungen eine Duldung ohne Beschäftigungsverbot, eine Ausbildungsduldung,die beantragte Aufenthaltserlaubnis (§§ 25 Abs. 5,23a, 25a, 25b AufenthG) oder Niederlassungserlaubnis zu erteilen und den:die Betroffene:n nicht abzuschieben.
6. Die Erteilung eines Beschäftigungsverbots und einer Duldung nach § 60b AufenthG ist mit einem begründeten schriftlichen rechtsmittelfähigen Bescheid zu versehen.
7. Vor Erlass eines Beschäftigungsverbotes und einer Duldung nach § 60b AufenthG ist der:die Betroffene zu den geforderten Mitwirkungshandlungen anzuhören. Auf ein Beschäftigungsverbot und eine Duldung nach § 60b AufenthG ist zu verzichten, wenn der:die Betroffene nachvollziehbar darlegt, warum die geforderten Mitwirkungshandlungen nicht umgesetzt werden können.
8. Bei der Bewertung der Zumutbarkeit muss das Landesamt für Einwanderung Informationen und Erfahrungen der Berliner Beratungsstellen und Migrant*innenorganisationen einbeziehen.
9. Bei der Beurteilung der Erfüllung der Mitwirkungspflichten sind Einschränkungen der persönlichen Handlungsfähigkeit durch Krankheit, Behinderung, Haft usw., Einschränkungen der Tätigkeit der Behörden und Vertretungen der Herkunftsländer, pandemiebedingte Einschränkungen usw.angemessen zu berücksichtigen.
10. Zur Glaubhaftmachung muss dem:der Betroffenen erforderlichenfalls die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung bei der Ausländerbehörde angeboten werden. Eine schriftliche Belehrung über die strafrechtlichen Folgen vor der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung in der Muttersprache hat zu erfolgen. Vor Abgabe der Versicherung ist dem:der Betroffenen eine Frist von mindestens vier Wochen zur Prüfung und Anpassung des Inhalts der Versicherung gewähren.
11. Werden die geforderten Handlungen allesamt vorgenommen, gilt die Mitwirkungspflicht als erfüllt,auch wenn diese nicht zu Passbeschaffung bzw. zur zweifelsfreien Identitätsklärung führten.
12. Für alle Menschen aus Afghanistan müssen Beschäftigungsverbote sofort beendet werden! Auch bei andere Ländern mit de facto Abschiebestopp wie Irak darf kein Beschäftigungsverbot erteilt werden,da auch in diesen Fällen die Passlosigkeit oder ungeklärte Identität nicht ursächlich für das Aussetzender Abschiebung sind.
13. Die Senatsverwaltung für Soziales und das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten widmet die Erstaufnahmeeinrichtungen in Berlin (außer dem Ankunftszentrum Reinickendorf) in „Gemeinschaftsunterkünfte“ (GU) um, wo die Restriktionen verbunden mit den „Aufnahmeeinrichtungen“ (AE) im Sinne des AsylG, wie Arbeitsverbote, Vollverpflegung und Residenzpflicht, nicht greifen.
AG Beschäftigungsverbote
Die AG Beschäftigungsverbote Berlin besteht unter anderem aus folgenden Organisationen: