Die Engagierten der Initiative „Moabit hilft“ unterstützen Flüchtlinge – und werden deswegen von Neonazis bedroht.
BERLIN taz | Sie geben Interviews, treten in Talkshows auf und sprechen auf Kundgebungen: Seit die Situation vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) im Sommer eskalierte und dadurch bundesweite Aufmerksamkeit erlangte, stehen die ehrenamtlich Engagierten von der Initiative „Moabit hilft“ immer öfter im Rampenlicht. Ihr Engagement in der Flüchtlingshilfe wird oft als beispielhaft herangezogen – doch der neue Bekanntheitsgrad bringt auch Probleme mit sich.
„Es gibt mittlerweile ständig Einschüchterungsversuche, wir bekommen immer wieder Drohbotschaften aus der rechten Szene gegen unsere Mitglieder“, berichtet Diana Henniges, Sprecherin und Mitgründerin der Initiative, gegenüber der taz.
Sie selbst erhalte E-Mails mit Drohbotschaften, denen Fotos von ihrer Familie angehängt seien, sagt Henniges. Ein anderes Mitglied habe die eigene Wohnungstür mit Bauschaum zugesprüht vorgefunden, bei einer weiteren Person wurde die Autotür aufgebrochen und eine Deutschlandfahne auf den Sitz gelegt. Gleichzeitig bekam die Helferin eine SMS auf ihr Handy: „Pass gut auf dich auf, Mädchen“, hatte ihr ein Unbekannter geschrieben. Auch die in letzter Zeit bei Nazis beliebte Masche, unter dem Namen des Opfers bei der Polizei anzurufen, sich selbst einer Straftat zu bezichtigen und so einen Polizeieinsatz an der Privatadresse des Opfers auszulösen, wurde bei einem Mitglied der Initiative schon angewendet.
„Wir bringen die Fälle immer wieder zur Anzeige“, sagt Henniges. Die Polizei verhalte sich auch kooperativ. Trotzdem ist die 36-Jährige beunruhigt: „Ich weiß, dass die mein Gesicht kennen – ich überlege jetzt schon, ob ich wirklich allein zum Einkaufen gehen soll.“ Einschüchtern lassen will sie sich nicht, auch die anderen betroffenen Mitglieder der Initiative würden mit ihrer Arbeit weitermachen wollen, sagt sie.
Datenschutz wichtig
„Eine verstärkte mediale Präsenz bringt für antirassistisch Engagierte leider oft auch Bedrohungen aus der rechten Ecke mit sich“, sagt Sebastian Wehrhahn von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR). In Bezirken und Kiezen mit einer starken rechten Szene seien diese Angriffe schon lange an der Tagesordnung – etwa in Hellersdorf, wo FlüchtlingshelferInnen in den letzten Monaten immer wieder von Neonazis bedroht wurden.
Doch offenbar machen die Täter an Bezirksgrenzen nicht mehr Halt: Sie habe von der Polizei Hinweise darauf erhalten, dass auch die Drohungen gegen „Moabit hilft“ aus der rechten Szene in Marzahn-Hellersdorf kommen, sagt Diana Henniges. Sie und ihre MitstreiterInnen seien inzwischen vorsichtiger geworden, was ihre persönlichen Daten angehe, erzählt sie. „Wir beraten uns gegenseitig, zum Beispiel wie man es einrichtet, dass die Adresse nicht mehr über das Melderegister abrufbar ist.“
Auch Sebastian Wehrhahn von der MBR rät zu einem vorsichtigen Umgang mit persönlichen Daten. Gleichzeitig ist für ihn aber klar: „Der beste Schutz vor solchen Angriffen ist eine aktive antirassistische Zivilgesellschaft, damit der einzelne Engagierte nicht mehr alleine und damit für rechte Täter exponiert dasteht.“
Innensenator Frank Henkel (CDU) warnte derweil am Montag in einer Presseerklärung vor einer „weiteren Radikalisierung“ am rechten Rand. „Der Nährboden dafür wird in Online-Foren und sozialen Netzwerken gelegt. Jetzt kommt der Hass zunehmend auf die Straße“, sagte er mit Blick auf das Neonazi-Attentat auf die Kölner Politikerin Henriette Reker am Samstag. Gleichzeitig brauche es „einen schonungslosen Realismus in der Flüchtlingsdebatte“, so Henkel weiter. Man dürfe nicht verschweigen, dass die „kulturelle Prägung“ vieler Flüchtlinge „oftmals im Gegensatz zu unserem Grundgesetz“ stehe.