Innensenatorin Spranger führt stolz durch die neue Einbürgerungsstelle. Alles soll digitaler, schneller, besser werden. Alte Probleme bleiben aber bestehen.
„Das ist schon was Tolles“, sagt Iris Spranger und deutet auf eine weiße Wand, auf der einige bunte Smileys kleben. Daneben stehen, mit Hand und ebenfalls in verschiedenen Farben geschrieben, ein paar sperrige Worte: Aufenthaltszeit, Deutschkenntnisse, Straffreiheit.
Stolz präsentiert Berlins Innensenatorin (SPD) an diesem Mittwochmorgen den ansonsten noch recht kahlen Besprechungsraum im neuen Einbürgerungszentrum im Wedding. Auch zwei Wochen nach dessen Eröffnung fehlen in dem Zimmer zwar Tisch und Stühle. Aber die beschreibbare Wand, die ist für Spranger ein Beispiel für „modern gestaltete Verwaltung“ in der Zweigstelle des Landesamts für Einwanderung (LEA).
Seit Anfang des Jahres sind in Berlin nicht mehr die Bezirke für Einbürgerungen zuständig, sondern das LEA. Dafür wurde eine neue Abteilung innerhalb der Behörde gegründet, die nun die Räume in der Sellerstraße bezogen hat. Gemeinsam mit LEA-Chef Engelhard Mazanke und Wiebke Gramm, die die Abteilung für Staatsangehörigkeitsangelegenheiten im LEA leitet, führt Innensenatorin Spranger am Mittwoch die Presse durch das Bürogebäude. Die Fenster sind blank geputzt, alles riecht sehr neu und etwas chemisch, nach Wandfarbe und Teppichkleber.
„Wir werden hier jährlich mindestens 20.000 Menschen einbürgern“, verspricht Gramm. Das wäre ein großer Anstieg; in den vergangenen Jahren erhielten berlinweit jeweils lediglich zwischen 7.000 und 9.000 Personen die deutsche Staatsbürgerschaft – bei jährlich rund 15.000 Anträgen.
Riesiger Berg an unbearbeiteten Anträgen
Möglich machen soll das die Digitalisierung von Beratung und Antragstellung: So sollen Einbürgerungswillige künftig in einem sogenannten Quick-Check online prüfen können, ob sie berechtigt sind, den deutschen Pass zu erhalten. Alle Formulare und Unterlagen können sie dann digital einreichen. Persönlich vorbeikommen müssen Antragsteller:innen nur ein Mal am Ende des Prozesses, betont Gramm: wenn sie die Einbürgerungsurkunde erhalten.
Für Spranger, Gramm und Mazanke ist es wohl ein Glücksfall, dass die Behörde auf digitale Akten umgestellt hat. Denn so kann am Mittwoch niemand die 40.000 unbearbeiteten Anträge sehen, die sich in den vergangenen Jahren in den Bezirksämtern angesammelt haben. Diesen Aktenstapel digitalisiert derzeit ein externer Dienstleister; wann alle Anträge erfasst sein werden, kann und will Abteilungsleiterin Gramm nicht sagen. Das bedeutet auch, dass das neue Einbürgerungszentrum eine ganze Weile damit beschäftigt sein wird, diesen Berg abzuarbeiten.
Mehr als 70 freie Stellen unbesetzt
Hinzu kommt: Voraussichtlich im Frühjahr tritt die Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes in Kraft. Dann muss man nicht mehr acht, sondern nur noch fünf Jahre in Deutschland gelebt haben, um eine Einbürgerung beantragen zu dürfen. Zudem wird es leichter, eine zweite Staatsangehörigkeit zu behalten. Das dürfte zu einem großen Anstieg der Anträge führen, meint LEA-Chef Mazanke.
Ob das Einbürgerungszentrum damit zurechtkommt, hängt wohl auch davon ab, ob es bald gelingt, alle freien Stellen zu besetzen. Von den 210 Stellen in der neuen Abteilung sind bislang erst 139 besetzt, muss Behördenleiter Mazanke einräumen. Das sind zwar schon mehr, als es vorher insgesamt für Einbürgerungen gab – in den Bezirken waren es berlinweit 90. Doch gerade die Fachkräfte aus den Bezirksämtern sträuben sich offenbar, ins LEA zu wechseln. Nur 45 von ihnen haben das bisher getan.
Ungewisse Wartezeit bleibt größtes Hindernis
Für Jian Omar, migrationspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, zeugt das von Versäumnissen bei der Umstellung: „Man hätte dieses Projekt besser organisieren müssen“, sagt Omar der taz. Verantwortlich sei die Innenverwaltung – und damit Senatorin Spranger. Die sei viel zu schnell mit der Zentralisierung der Einbürgerungen vorgeprescht und habe damit die Mitarbeiter*innen in den Bezirken verunsichert, so Omar. Das sei der Hauptgrund, weshalb jetzt noch mehr als 70 Stellen unbesetzt sind.
Den „Quick-Check“ und die digitale Antragstellung lobt der Grünen-Abgeordnete. Er habe die Online-Maske selbst getestet, sie sei sehr intuitiv gestaltet. Doch das größte Hindernis bei der Einbürgerung bleibe bestehen: die ungewisse Wartezeit. Wer alle Voraussetzungen erfülle, alle Unterlagen eingereicht habe, warte immer noch Monate, wenn nicht gar Jahre, bis der Antrag bewilligt werde, kritisiert Omar.
Mahdieh Hashemi etwa hat 14 Monate gewartet. Das hat nun ein Ende: Die 31-jährige Informatikstudentin erhält am Mittwoch in der neuen Zweigstelle gemeinsam mit vier anderen Berliner*innen ihre Einbürgerungsurkunde. Die Übergabe – ein Heimspiel für Iris Spranger: „Seien Sie erfolgreich! Gründen Sie Familien“, gibt die Senatorin den fünf jungen Leuten noch mit auf den Weg, bevor sie im beflaggten und mit Blumen geschmückten Raum das erforderliche „feierliche Bekenntnis“ auf das Grundgesetz ablegen dürfen.