Die iranische Exilgemeinde Berlins ist wegen der Proteste in der Heimat in Aufruhr. Rastlos werden Solidaritätsveranstaltungen und Demos organisiert.
Vielleicht erlebe er bald die fünfte Fluchtwelle aus dem Iran, sagt Hamid Nowzari, Geschäftsführer des Vereins iranischer Flüchtlinge mit Sitz an der Reuterstraße. Nowzari verließ den Iran 1980 und flüchtete nach Deutschland.
Die Islamische Republik war nach dem Sturz des Schahs 1979 damals gerade ein Jahr alt. Mehr als 40 Jahre und mehrere Wellen der Verfolgung und Massenflucht aus dem Iran später könnten erneut viele Iraner ihre Heimat verlassen, fürchtet Nowzari. Und die kommenden Tage könnten darüber entscheiden.
Der Iran brennt seit dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini. Laut Angaben von Nichtregierungsorganisationen sind 76 Menschen bei gewaltsamen Protesten in verschiedenen Städten ums Leben gekommen. Ungewöhnliche Szenen spielen sich bei den Protesten ab. Frauen verbrennen ihre Kopftücher und schneiden sich unter Applaus der Demonstranten die Haare ab.
Sie drücken so ihre Solidarität mit Mahsa Amini aus. Sie besuchte Mitte September die iranische Hauptstadt Teheran. Beamte der sogenannten Sittenpolizei nahmen sie in Gewahrsam, weil sie angeblich ihre Kopfbedeckung nicht den islamischen Regeln entsprechend getragen hatte. Die 22-Jährige starb nach der Festnahme in einem Krankenhaus.
Iraner organisieren Kundgebungen in Berlin
Hamid Nowzari berichtet von einer rastlosen Zeit für Exiliraner in Berlin. Geflüchtete, Studierende aus dem Iran und Berliner mit iranischen Wurzeln organisieren täglich Solidaritätsaktionen und Demonstrationen in der Hauptstadt. Junge Leute gäben dabei den Takt an. „Ich sehe eine Wut, die ich so noch nicht erlebt habe“, meint der Exiliraner.
Wer nicht gerade Kundgebungen organisiere, versuche, an Informationen über die Lage im Iran heranzukommen, schildert Nowzari. Ziel sei es, den Demonstranten im Iran eine Stimme zu geben. Augenzeugenberichte fänden über den Umweg Berlin ihren Weg zu persischssprachigen Auslandssendern. Diese sendeten wiederum auf digitalen Schleichwegen in den Iran. Die iranische Regierung hat allerdings das Internet im Land teilweise lahmgelegt.
Die Regierung drosselt das Internet
Die iranische Studentin Mina erzählt, dass das gedrosselte Internet den Kontakt zu ihrer Familie erschwere. An einem Tag komme ein Anruf oder eine Textnachricht durch, am anderen nicht. Immerhin wisse sie, dass ein Cousin nach einer Festnahme wieder auf freiem Fuß ist.
Die Studentin will ihren wirklichen Namen nicht nennen. Sie hat Angst vor Mitarbeitern der iranischen Botschaft in Berlin. Sie fürchtet, dass sie Kundgebungen in Berlin ausspähen. „Wenn sie uns erkennen, kann das schlimme Folgen für unsere Familien haben“, sagt sie.
Die Frauen begehren auf
Mina hat eine Formulierung dafür, was gerade in ihrer Heimat geschieht. Sie spricht von einer „Revolution der Frauen“. Es gehe anders als bei vorherigen Protesten nicht um wirtschaftliche Missstände oder Korruption, sondern um das von der Islamischen Republik mit Gewalt durchgesetzte Patriarchat.