Iran-Flüchtlinge wie Reza R. müssen weiter um Schutz in Deutschland fürchten. Unionsgeführte Länder attackieren Innenministerin Faeser.
Passau – Eigentlich sollte der 29. September ein guter Tag werden für Reza R.: Der 41-jährige Iraner war in das Ausländeramt der bayerischen Stadt Passau gekommen, um seine Duldungspapiere mit dem Hinweis ergänzen zu lassen, dass er fortan arbeiten darf. Ein Pflegedienst wollte den Mann, der 2018 nach Deutschland gekommen war, als Auszubildenden einstellen. Doch statt einer Unterschrift und einem Stempel warteten auf Herrn R. in den Amtsräumen zwei Polizisten, die ihn in eine Abschiebehaftanstalt brachten.
Danach ging alles ganz schnell: Nach der Öffentlichmachung des Falls durch den Bayerischen Flüchtlingsrat und den Einsatz der SPD-Landtagsabgeordneten Alexandra Hiersemann legte das Innenministerium in München die für 5. Oktober geplante Abschiebung von R. in den Iran auf Eis. „Die ausländerrechtlichen Entscheidungen werden nochmal sorgfältig überprüft“, heißt es jetzt beim Bayerischen Landesamt für Asyl und Rückführungen auf FR-Anfrage.
Aufruhr im Iran: Ungewissheit über Gefahren für Abgeschobene
Der Fall R. ist nicht nur wegen des Vorgehens der Behörden ein Aufreger, oder weil der Mann als dringend benötigte Pflegekraft arbeiten wollte – sondern auch wegen des geplanten Ziellandes der Abschiebung: dem Iran. Mehrere Menschenrechtsorganisationen, alle Landesflüchtlingsräte und bekannte Personen mit iranischen Wurzeln hatten die Bundesländer bereits aufgefordert, Abschiebungen in den Iran auszusetzen. „Frauen und Männer, die im Iran protestieren und demonstrieren, werden abgeführt, inhaftiert und misshandelt. Die Situation in dem Land ist derzeit derart unübersichtlich, dass wir nicht wissen, was denjenigen Menschen droht, die aus Deutschland in den Iran abgeschoben werden“, beschreibt Wiebke Judith von Pro Asyl die Situation.
Am Donnerstag kündigte Niedersachsen nun an, Abschiebungen in den Iran auszusetzen. Der dortige Innenminister Boris Pistorius (SPD) will außerdem einen Antrag für einen bundesweiten Abschiebestopp für die Konferenz der Innenminister:innen Ende Oktober stellen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte, dass sie den Vorstoß unterstütze. Gefordert hatten einen solchen Schritt zuvor unter anderem die Grünen.
Faeser in der Kritik aus unionsgeführten Ländern
Wie viele Länder einem Abschiebestopp zustimmen werden, ist unklar. Aus dem CDU-geführten hessischen Innenministerium hieß es vergangene Woche auf Anfrage noch: „Eine generelle Aussetzung von Abschiebungen in den Iran ist von hier derzeit nicht geplant.“ Am Freitag erklärte Landesinnenminster Peter Beuth (CDU) den Bund für zuständig: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) könne in eigener Zuständigkeit ein bundesweites Abschiebeverbot erteilen, während Faeser die Entscheidung „auf die Länder abzudrücken“ versuche. Auch aus Bayern kam Kritik an Faeser. Aus dem grün-geführten Thüringer Migrationsministerium hieß es: „Diesbezüglich wurden noch keine abschließenden Entscheidungen getroffen.“ Aus Schleswig-Holstein indes gab es positive Signale.
31 Menschen wurden laut Bundesinnenministerium in den ersten acht Monaten dieses Jahres von Deutschland in den Iran abgeschoben. Dass ein Abschiebestopp allein nicht reicht, findet Hamid Nowzari, Geschäftsführer des Vereins iranischer Flüchtlinge in Berlin. Er fordert auch „die Anerkennung ihrer Fluchtgründe im Asylverfahren sowie die unkomplizierte Aufnahme von Iranerinnen und Iranern, die in der Türkei und anderen Erstzufluchtsländern festsitzen“.
Asyl-Bundesamt: Zu streng bei Iran-Flüchtlingen?
Seit Jahren schon zählt der Iran zu den zehn Herkunftsländern aus denen die meisten Asylsuchenden nach Deutschland kommen – im ersten Halbjahr 2022 stellten hier knapp 2000 Iraner:innen Asylerstanträge. Im gleichen Zeitraum bekamen rund 47 Prozent der Antragstellenden aus dem Iran einen Schutzstatus zugesprochen. Mit dem prekären Status der Duldung leben in Deutschland mehrere Tausend Iraner:innen, viele dürfen nicht arbeiten.
Nowazari kritisiert unter anderem, dass das Asyl-Bundesamt von den Schutzsuchenden zu viele Belege einfordere. Doch wie solle man die Teilnahme an regimekritischen Protesten stichhaltig beweisen? Wie, dass man geschlagen und bedroht wurde? Ganz zu schweigen von der Schwierigkeit, geschlechtsspezifische Verfolgung als Fluchtgrund zu belegen – etwa die Verfolgung, die Frauen im Iran erleben, wenn sie sich Kleidungsvorschriften widersetzen. Die Verfahren des Bamf bezeichnet Nowazari als dringend reformbedürftig. Beim Bamf heißt es auf Nachfrage, dass die Situation von Frauen im Iran „besondere Beachtung“ bei den Entscheidungen finde. Und „aktuelle Vorkommnisse“ habe man im Blick.
Auswärtiges Amt soll Lagebericht Iran überarbeiten
Die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Lamya Kaddor, sagte der FR, sie sei froh, dass die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg (Grüne), nun angekündigt habe, den Lagebericht Iran durch das Auswärtige Amt überarbeiten zu lassen. Auf diesen Bericht stützt sich das Bamf bei seinen Entscheidungen. Die Bundestagsabgeordnete Clara Bünger (Linke) fordert, dass das Bamf „ablehnende Bescheide in Bezug auf das Herkunftsland Iran noch einmal überprüft und korrigiert“, falls Klagen anhängig sind.