Eine ganze Reihe von Flüchtlingen steht nicht auf der Liste des Senats und deshalb auf der Straße. Warum die Namen verloren gingen, ist unklar.
Wurde bei der Erstellung der Namenslisten der einstigen Oranienplatzbewohner schlampig gearbeitet oder manipuliert? Fakt ist: Nicht alle ehemaligen Bewohner sind in den Listen erfasst, die der Senatsverwaltung vorliegen. Sie haben darum entweder noch kein Bett in einem Heim bekommen oder noch keine Identitätskarte, mit der sie sich ausweisen können.
Eine Gruppe von rund einem Dutzend Betroffenen kam darum am Donnerstagabend erbost in das Büro der Integrationsbeauftragten Monika Lüke und forderte eine Unterbringung und Plastikkarten mit dem Identitätsnachweis. Lükes Sprecher John Rühe bestätigt den „Besuch, der eigentlich ganz nett ablief“. Es würden sich immer wieder ehemalige Oranienplatzbewohner melden, die nicht auf den Listen stünden. „Wir klären das gerade“, sagt er. Am Freitag hatte die taz bereits über einen betroffenen Sudanesen berichtet, der jetzt obdachlos ist und sich am Hungerstreik auf dem Oranienplatz beteiligte.
Auch die grüne Kreuzberger Bezirksverordnete Taina Gärtner, die lange auf dem Oranienplatz mit den Flüchtlingen gewohnt hatte, bestätigt, dass es eine ihr unbekannte Zahl ehemaliger Platzbewohner gäbe, deren Namen nicht auf den Listen stünde. Das beträfe sogar einen Sprecher der Gruppe. Die Leute wüssten nun nicht, wohin.
Der Senat hatte im Januar Verhandlungen mit den Flüchtlingen aufgenommen. Dabei waren die Flüchtlingssprecher verpflichtet worden, die Bewohner des Oranienplatzes und der besetzten Schule namentlich zu erfassen. Nur wer auf der Liste stehe, sollte von der sozialen Versorgung durch das Land Berlin profitieren. Hintergrund ist die Erfahrung vom November: Da hatte Berlin ein Caritasheim für die Oranienplatzbesetzer zur Verfügung gestellt. Einige Plätze waren jedoch von Leuten belegt worden, die schnell aus Hamburg an die Spree gefahren waren.
Unter den Flüchtlingen hatte es tagelange Diskussionen gegeben, ob man sich wirklich auf einer Liste erfassen lassen sollte. Insbesondere Vertreter aus der deutschen Unterstützerszene hatten dagegengehalten. Ihr Argument: Die Liste könnte auch als Vorlage für eine Massenabschiebung dienen. Schließlich gab es einen Kompromiss: Liste ja, aber die kommt zu einer Anwältin, nicht zum Senat. Dort wurde sie von einem Flüchtlingssprecher am vergangenen Donnerstag wieder abgeholt, als bereits feststand, in welches Gebäude die Flüchtlinge ziehen könnten.
Taina Gärtner geht von einem Versehen aus. „Da gab es wohl einen Informationsverlust bei der Übertragung der handgeschriebenen Listen in Excel-Dateien.“ Viele Flüchtlinge hingegen, die namentlich nicht genannt werden wollen, wittern eine „Manipulation“ durch ihre eigenen Vertreter „zwischen der Abholung der Liste bei der Anwältin und der Abgabe beim Senat“. Es sollen, so ihr Vorwurf, Namen entfernt und durch andere ersetzt worden sein. MARINA MAI
Source: taz.de