Landesweite Proteste nach dem Tod einer 22 Jahre alten Frau im Polizeigewahrsam erhöhen den Druck auf Irans Regierung. Im Ausland versammeln sich viele Exil-Iranerinnen und -Iraner, um auf die Situation in ihrer Heimat aufmerksam zu machen. In Deutschland lebende Iranerinnen und Iraner sind unzufrieden mit der Unentschiedenheit der Bundesregierung.
Berlin. Hamid Nowzari hat schwer zu tun in diesen Tagen. Seit dem bislang ungeklärten Tod der 22-jährigen Mahsi Amini im Polizeigewahrsam in Teheran ist auch die iranische Community in Deutschland in Aufruhr. Der Geschäftsführer des Vereins Iranische Flüchtlinge in Berlin berichtet von aufgeregten Anrufen in seinem Büro. „Die einen wollen in Deutschland Demonstrationen organisieren und sind kämpferisch. Andere machen sich Sorgen um Angehörige.“
Die Demonstrationen und Proteste in der Heimat wecken bei vielen Exil-Iranerinnen und Exil-Iranern gemischte Gefühle, so Nowzari. „Sie schwanken zwischen Hoffnungen und Angst.“
Die Iranerinnen und Iraner im Ausland bewunderten den „beispielhaften Mut und die Opferbereitschaft junger Menschen“, die in iranischen Städten gegen die islamischen Kleidungsvorschriften demonstrierten, wegen derer die verstorbene junge Frau vergangene Woche von der Sitten- und Religionspolizei verhaftet worden war. Sie fürchten jedoch auch eine harte Reaktion des iranischen Staats – wie nach ähnlichen Protesten üblich, so Nowzari.
Von deutscher Politik enttäuscht
Fein beobachtet wird im Ausland auch, dass neben jungen Leuten vor allem Mütter auf den Straßen seien, um gegen die einengenden Vorschriften der Mullahs zu protestieren. „Wo, fragen mich viele am Telefon, sind die Väter“, erzählt der Vereinschef.
Von der deutschen Politik seien die meisten Exil-Iraner, allerdings nicht erst seit jetzt, enttäuscht. Zu lange habe man in Berlin nach den jüngsten Ereignissen geschwiegen. Wenigstens Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hätte Dienstag am Rande der UN-Vollversammlung in New York die iranische Regierung aufgefordert, Frauenrechte als Menschenrechte anzuerkennen, sagt Nowzari. „Der Rest schweigt.“
Er hätte sich von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ähnlich klare Worte vor der Vollversammlung gewünscht wie sie Chiles Präsident Gabriel Boric aussprach. Der hatte die Staats- und Regierungschefs dazu aufgefordert, der Gewalt gegen Frauen ein Ende zu setzen und dabei auf den Tod von Mahsa Amini am vergangenen Freitag „durch die Polizei“ im Iran verwiesen.
Menschenrechte über allem
Vereinschef Nowzari warnte davor, sich aus geopolitischen, energiewirtschaftlichen oder kulturrelativistischen Gründen auf die Zunge zu beißen und Nachsicht mit Teheran zu üben. „Niemand sollte vergessen, dass Menschenrechte über allem stehen.“
Der Vorsitzende der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe des Bundestags, Roger Beckamp (AfD), sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) auf Nachfrage, man müsse mit dem Iran im Gespräch bleiben. „Wir sind betroffen über die Opfer. Und werden in unserem Rahmen auch hierüber sprechen.“
Der Oppositionspolitiker warf der jetzigen Bundesregierung und ihren Vorgängerinnen vor, „Gesprächskanäle nicht gepflegt oder sogar verschüttet“ zu haben. „Wir als Parlamentariergruppe möchten unseren Beitrag leisten, sowohl mit der Regierung als auch mit der Opposition des Iran stärker ins Gespräch zu kommen.“
Zersplitterte Gemeinde
In Berlin fand am Dienstagnachmittag eine Protestkundgebung vor der iranischen Botschaft statt. Nowzari geht von weiteren Protesten in den nächsten Tagen in weiteren deutschen Großstädten aus.
In Deutschland leben nach letzten, drei Jahre alten Schätzungen des Statistischen Bundesamts rund 190.000 aus dem Iran eingewanderte Personen. Dazu kämen etwa 125.000 Iranerinnen und Iraner ohne deutschen Pass. Die iranische Gemeinde in Deutschland ist stark zersplittert. Es gibt ungefähr 200 Vereine, die sich bundesweit um die deutsch-iranische Verständigung bemühen.