Bisher galt es meist als Abschiebehindernis, wenn nicht alle Familienmitglieder am Tag der Abschiebung anzutreffen waren. Anders im Fall der Familie Morina aus dem Kosovo. Dienstag früh brachte die Polizei nur den Vater und die vier jüngsten Kinder zum Flughafen Schönefeld. Gegen 14.30 Uhr startete der Flieger. Die Mutter blieb indes in der gemeinsamen Wohnung zurück. Sie sollte auf die älteste Tochter warten, die bei Freunden übernachtet hatte. Insgesamt wurden in der Maschine 97 Menschen nach Serbien, Bosnien und in den Kosovo geflogen.
„Eigentlich ist es nicht zulässig, dass Eltern von ihren Kindern getrennt werden“, sagte Rechtsanwältin Anya Lean, die die Familie Morina betreut. Sie hält die Abschiebung für rechtswidrig und hatte am Dienstag versucht, sie durch einen Eilantrag an das Verwaltungsgericht und eine Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu verhindern. Bei dem jüngsten Sohn sei noch nicht abschließend geklärt, ob er traumatisiert ist, er ist in psychologischer Behandlung. „Es lag eine eidesstattliche Versicherung vor, dass die Mutter die wichtigste Bezugsperson des Jungen ist. Das Gericht hat mit der Begründung abgelehnt, dass eine kurze Trennungszeit dem Kind vermittelt werden könne“, sagte Lean.
Die Mutter steht außerdem kurz vor einer Operation, die älteste Tochter hätte am Dienstag eigentlich ihre schriftliche Matheprüfung für die Berufsbildungsreife schreiben sollen. Die Familie hatte sich bereits an die Härtefallkommission gewandt. Auch lag der Innenverwaltung eine Petition vor, die das soziale und künstlerische Engagement der Kinder betonte.
„Es ist wahrscheinlich nicht das erste Mal, dass Familienmitglieder getrennt werden, aber bisher war das noch nicht richtige Praxis“, sagte Lean. Gerade bei Abschiebungen in den Kosovo würde inzwischen härter durchgegriffen. Die zuständige Senatsverwaltung teilte mit, dass die Ausländerbehörde in der Regel bestrebt sei, Familien gemeinsam abzuschieben. Familientrennungen seien im Einzelfall aber zulässig, wenn die Polizei nicht alle Familienmitglieder antrifft und unklar sei, wo sie sich aufhielten.
Polizei, Innenverwaltung und Ausländerbehörde führen zurzeit zweimal im Monat größere Aktionen durch, bei denen jeweils rund 100 Menschen abgeschoben werden. Dabei arbeiten sie auch mit anderen Bundesländern zusammen.