800 Euro für einen Pass

Flüchtlinge aus Syrien oder Eritrea werden zur Botschaft geschickt, wenn sie Reisedokumente benötigen. Die Koalition ist gespalten.

Ein Mann, sein Gesicht ist nicht zu erkennen, hebt die Arme in die Luft

Lieber nicht: viele Eritreer meiden die Botschaft ihres Landes (Symbolbild)Foto: dpa

Der Umgang mit subsidiär schutzberechtigten Flüchtlingen führt zu Streit in der rot-rot-grünen Koalition. Seit Mai schickt die Innenverwaltung von Senator Andreas Geisel (SPD) diese Menschen zu den Botschaften ihrer Herkunftsländer, um sich Pässe ausstellen zu lassen. Ohne Pass gibt es keinen Ausweis – und ohne den darf man Deutschland nicht verlassen.

„Anders als bei Asylberechtigten ist es subsidiär Schutzberechtigten grundsätzlich zuzumuten, sich einen Nationalpass von ihrer Botschaft zu beschaffen“, sagt eine Sprecherin der Innenverwaltung der taz. Das sieht die grüne Abgeordnete Bettina Jarasch anders: „Hier sollte Berlin seinen Kurs ändern. Wir alle wissen, dass subsidiär Schutzbedürftige in ihren Herkunftsländern nicht weniger gefährdet sind als Asylberechtigte. Darum kann es Gefahren bergen, wenn man sie zu den Auslandsvertretungen schickt.“

Als Beispiel nennt Jarasch Syrien: „Wir wissen, dass das Regime dort schwarze Listen führt. Weiß es vom Aufenthalt eines Syrers in Berlin, kann das für Angehörige, die noch in Syrien leben, eine Gefahr bedeuten.“ Diese Bedenken teilt der Linke Hakan Taș. „In Syrien lebende Verwandte bekommen Besuch vom Geheimdienst, wenn der weiß, dass Angehörige im Ausland leben. Berlin muss seinen Ermessensspielraum nutzen und den subsidiär Schutzbedürftigen nicht den Gang zur Botschaft des Verfolgerstaates zumuten.“

Jarasch zufolge hat Berlin diese Praxis im Mai eingeführt – auf Wunsch von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der sich eine bundeseinheitliche Regelung gewünscht hatte. Viele andere Bundesländer würden subsidiär schutzberechtigte Flüchtlinge schon länger zu den Botschaften ihrer Herkunftsländer zur Passbeschaffung schicken, so die Grüne. In der Praxis leben viele subsidiär Schutzberechtigte aber in Berlin schon seit drei Jahren ohne Reisedokumente, denn die Ausländerbehörde verzögerte die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge, der Asylberechtigten statt eines Passes des Heimatlandes gegeben wurde. Bis Mai bestand noch Hoffnung auf Änderung.

Kein Geld für die Diktatur

Betroffen ist etwa Ibrahim A. aus Eritrea. Er bekam Ende 2016 den subsidiären Schutzstatus und hat bis heute nur einen Ausweisersatz aus Papier, weil die Ausländerbehörde nicht damit hinterherkam, ihm andere Papiere auszustellen. Im Dezember möchte A. seinen Onkel in Norwegen besuchen, er soll bei dessen Hochzeit Trauzeuge sein. Doch ohne Pass darf der Mann, der in Berlin eine Ausbildung macht, Deutschland nicht verlassen. Und den soll er sich in der eritreischen Botschaft holen.

„Die Botschaft werde ich in meinem Leben nie betreten“, sagt er der taz. „Die verlangt von jedem Eritreer im Ausland, 2 Prozent seines Bruttoeinkommens ab der Flucht zu zahlen. Ohne diese 2 Prozent gibt es keine Dokumente. Ich habe doch Eritrea nicht verlassen, um der Diktatur mein Geld zu geben!“

Aus Sicht der Innenverwaltung ist es „eritreischen Staatsangehörigen grundsätzlich möglich, über die eritreischen Auslandsvertretungen“ Urkunden zu beschaffen, sagt eine Sprecherin der Behörde zur taz. „Insbesondere auch die Passbeschaffung ist möglich.“

Freweney Habtemariam vom eritreischen Verein Eridac weist darauf hin, dass neben der zweiprozentigen „Diasporasteuer“, die sogar auf Sozialhilfe und Hartz IV anfällt, auch die Unterschrift unter ein Dokument gefordert wird, wonach man seine Flucht aus Eritrea und den Asylantrag bereut. Ohne Geld und Unterschrift gebe es keinerlei Dienstleistungen der eritreischen Botschaft.

Nicht im Interesse Berlins

„Es kann nicht im Interesse Deutschlands und Berlins sein, mit Steuermitteln eines der diktatorischsten Regime der Welt zu finanzieren. Darum muss die Ausländerbehörde darauf verzichten, von Eritreern Heimatdokumente abzufordern“, sagt sie. Das belaste die Flüchtlinge sehr.

Jens-Martin Rode, der sich in einer Willkommensgruppe für syrische Flüchtlinge engagiert, sieht das für Syrer ähnlich: „Das Assad-Regime, das auf vielen internationalen Sanktionslisten steht, finanziert sich auch über Gebühren für Pässe, zu deren Entrichtung die im Ausland lebende Landsleute gezwungen werden.“

Ein syrischer Pass habe nur eine Gültigkeit von zwei bis drei Jahren und koste je nach Einzelfall zwischen 200 und 800 Euro. „Eine alleinerziehende Mutter, die ich unterstütze, musste für sich und ihre beiden Kinder 1.200 Euro Passgebühr für zwei Jahre zahlen. Es kann nicht sein, dass Berlin über den Umweg subsidiär schutzbedürftiger Flüchtlinge das syrische Regime finanziert.“

Der SPD-Innenpolitiker Frank Zimmermann verteidigt gegenüber der taz das Vorgehen seines Genossen Andreas Geisel. „Im April haben sich Bund und Länder geeinigt, einheitlich zu verfahren. Damit hat Berlin seine großzügigere Regel aufgegeben. Das kann ich nicht kritisieren.“

 

Quelle: Taz